…!?  Wenn Du mit „Ja.“ oder einem zögerlichen „Nein.“ antwortest, dann ist vielleicht das Markus Evangelium genau das richtige für Dich. Wenn Dir Weihnachten und die ganze Stimmung drum herum schon jetzt zu viel sind, dann bist Du bei Markus gut aufgehoben. Er ist der Evangelist, der normalerweise in dieser Jahreszeit selten bis nie gehört wird. Mir wurde zu mindestens als Kind in meinem christlichen Elternhaus unter dem Weihnachtsbaum nie sein Evangelium vorgelesen. Auch kann ich mich nicht an irgendeine Weihnachtspredigt auf dessen Grundlage erinnern. Die anderen Evangelien beginnen mit einer detaillierten Beschreibung zur Geburt von Jesu (Matthäus & Lukas) oder zu mindestens mit einer Erwähnung und theologischen Erklärung der weihnachtlichen Geschehnisse (Johannes). Markus schenkt uns nichts von dem: keine lange Reise, kein Stall, keine Schafe, keine Hirten, keine Engel, keine Sterndeuter, kein Stern, kein schwangere Maria und dementsprechend auch kein Baby.

Markus ein klassischer Weihnachtsmuffel? Wo ist all das ach so familiäre? Am Anfang des Markusevangeliums ist Jesus bereits ein Erwachsener Mann. Wir werden direkt in die Berichte über seinen Dienst hineingeschuppst. Dieser Bericht ist dann auch noch sehr schnell und knapp hin zu dem Tod Jesu erzählt. Erst in Kapitel 6 pausiert die Erzählung ein wenig. Markus zoomt fast zum ersten Mal näher in die Details von Geschehnissen im Leben Jesu hinein, als er uns eine indirekte Referenz zu der Geburt von Jesus und dessen Kindheit bietet. Es ist gerade diese Referenz, die uns einen ganz anderen Blickwinkel auf die Weihnachtsgeschichte eröffnet. Einen ungewöhnlichen Blickwinkel.

Markus erzählt uns: „Von dort zog Jesus weiter und ging in seine Heimatstadt; seine Jünger begleiteten ihn. Am Sabbat lehrte er in der Synagoge vor vielen Zuhörern. Und viele der Zuhörer erstaunten“ (Mk 6,1-2a). Die Reaktion von den Bewohner Nazareths auf die Worte von Jesu war Erstaunen und eine aufgeregte Wucht an Fragen: „Woher hat der Mann das alles? Wieso ist er so weise und klug? Warum kann er solche Wunder wirken?“ (Mk 6,2b) – Sie fragten sich dies tatsächlich. Verblüfft. Vielleicht suchend nach dem Trick, nach einer logischen und plausiblen Erklärung. – Warum? Sie waren mehr als nur verwirrt darüber, was sie von Jesu gesehen und gehört haben. Noch mehr und andersartig verwirrt als alle anderen Menschen vor ihnen, die Jesus erlebten. Ihr Unverständnis wird mit ihren nächsten Fragen erklärt, von denen sie glaubten, die Antwort schon zu wissen: „Ist er denn nicht der Zimmermann, der Sohn der Maria und der Bruder von Jakobus, Joses, Judas und Simon? Leben nicht auch seine Schwestern hier unter uns?“ (Mk 6,3) Die zu erwartende Antwort auf diese Fragen ist natürlich „Ja! – Ja er ist der Zimmermann, ja er ist der Sohn von Maria und ja!, wir alle kennen seine Geschwister.“ Die Bewohner von Nazareth können die familiären Fakten, die sie wissen, und das, was sie erstaunliches Erleben einfach nicht zusammenbringen. Selbstbewusst, wegen dem was sie wussten, waren sie verwirrt von dem, was sie nicht wussten. Also reagierten sie auf eine desaströse Art und Weise: „So kam es, dass sie ihn ablehnten!“ (Mk 6,3)

Was hat dies mit deinem Advent und Weihnachten zu tun? Es ist der einzigartige Blickwinkel von Markus auf die Weihnachtsgeschehnisse. Seine Weihnachtsgeschichte erzählt uns folgendes: in wenigsten einer kleinen Stadt, war die Tatsache, dass Jesus als ein Baby geboren wurde und als gewöhnliches Kind aufgewachsen ist, keine Ermutigung im Glauben, sondern sogar ein Hinderungsgrund zu glauben. Wir glauben – berechtigterweise! –, dass wir Jesus kennenlernen und familiär mit ihm werden müssen, um an Ihn glauben zu können. Aber in diesen Versen ist es genau dieses, was Menschen vom Glauben abhielt. Die Familiarität stand den Freunden von Jesus im Weg. Sie war ein Hindernis. Sie war Nährboden für Geringschätzung.

Vielleicht sind wir dieses Weihnachten in einer ähnlichen Situation? Jesus ist uns schon familiär. Nein, wir sind niemals mit Ihm Barfuß durch Nazareth gerannt. Nein, wir haben Ihn niemals dafür bezahlt unser Dach zu decken. Nein, wir saßen niemals bei Familienfeiern mit Ihm an einem Tisch. – …und doch. Und doch sind wir eng mit Ihm aufgewachsen. Wir haben früh gelernt, dass wir fast immer im Kindergottesdienst richtig liegen, wenn wir nur laut und schnell genug „Jesus!“ rufen, natürlich auf jede Frage. Wir haben Ihn ausgemalt und jede Geschichte von Ihm auswendig gelernt. Wir hatten ein klares Bild von Ihm. Jedes Jahr zu Weihnachten spielten wir sogar mit Ihm in der kleinen Holzgrippe. Er gehörte schon immer zu unserer Familie. Er ist so – familiär.

C. Ryle schrieb einst: „Das Familiäre am Heiligen hat beim Menschen eine scheußliche Tendenz dazu es zu verachten.“ Es ist wahr. Es ist möglich so familiär mit Jesus zu sein, dass wir Ihn nicht kennen, weil wir glauben Ihn zu kennen. Jesus ist mehr zu unserer Kindergottesdienst-Antwort geworden. Wir haben Ihn in unsere Box des Bekannten und Möglichen gepackt, aber wir kennen Ihn nicht mehr als den völlig umwerfenden, überraschenden, erstaunlichen und wunderschönen Herrn, der einen Anspruch auf unser Leben erhebt. Dem wir alles verdanken. Der uns allein unendliche Freude gibt. Der all unseren Lobpreis verdient. Familiarität mit Jesus, das Gewohnt sein von Ihm kann uns vormachen, dass wir schließlich schon ganz genau Bescheid wissen. Vielleicht sind wir ja schon sogar gelangweilt von Ihm. Seinen Geschichten. Besonders von der, die diese Tage so oft erzählt wird: der Weihnachtsgeschichte.

Wenn dies auf Dich zutrifft, lass es Dir ein sicheres Zeichen dafür sein, dass Du Ihn nicht wirklich kennst. Zu mindestens noch nicht gut genug. Jesus kennen ist vielleicht ein bisschen so, wie den Mount Everest zu kennen. Ein Aufstieg auf den Everest muss angeblich alles haben, er begeistert Dich, überfordert Dich, bringt Dich außer Atem, erfrischt Dich, macht Dich sprachlos, lässt Dich jubeln,… Du kennst ihn niemals wirklich, da gibt es immer mehr faszinierendes. Wenn Menschen vom Mount Everest gelangweilt sind, liegt es wohl eher daran, dass sie zu viele Fakten über ihn in ihrem Wohnzimmer gelernt haben, statt ihn zu erleben.

Familiarität muss nicht der Nährboden für Geringschätzung sein. Stattdessen kann es der Nährboden für Glauben sein: interessanterweise nennt uns Markus hier vier leibliche Halbbrüder von Jesus. Zwei von ihnen – Judas und Jakobus – schrieben später sogar Briefe des Neuen Testaments. Beide Männer mussten als Brüder Jesus wohl so gut wie kaum jemand anders kennen. Ganz familiär. Und doch beginnt Judas seinen Brief mit den Worten: „Judas, ein Diener (wortwörtlich: Sklave) von Jesus Christus!“ und Jakobus seinen Brief: „Jakobus, ein Diener (wörtl.: Sklave) von Gott und dem HERRN Jesus Christus.“ (Jak 1,1) Ja, sie kannten Ihn von Kindesbeinen an. Ja, sie kannten sein Leben in und auswendig. Ja, sie waren tatsächlich seine Brüder. Aber sie lernten Ihn erst wirklich kennen als Meister und Herrn. In ihren Leben führte das gewohnte und familiäre zum Glauben. Je mehr sie kennenlernten, desto mehr sahen sie. Je mehr sie sahen, desto mehr beteten sie an. Je mehr sie anbeteten, desto mehr wollten sie Ihn kennenlernen.

Das gleiche darf auch für uns wahr werden, wenn wir Jesus so sehen wie er wirklich ist. Das gleiche darf wahr sein in diesem Advent. Lasst uns erneut erstaunt sein über das Wunder der Weihnachtsgeschichte. Im Himmel werden wir einmal vollständig familiär mit Jesus sein und tatsächlich wird sich niemals Langeweile breit machen. Jon Newtons drückt es folgendermaßen in seinem Lied „Amazing Grace“ aus:

Wenn wir einmal zehntausend Jahre dort gewesen sein werden,

– Hell scheinend wie die Sonne, –

Werden wir keinen Tag weniger haben, um Gott zu loben,

als wir es noch am ersten Tag hatten.

In diesem Sinne wünsche ich Dir eine wunderbar familiäre

und erstaunliche Adventszeit mit unserem HERRN!