Streit und Konflikt innerhalb einer Gemeinde sind unausweichlich! Warum? Weil die christliche Gemeinschaft eine wunderbar übernatürlich geschaffene Gemeinschaft ist. Sie ist von Gott gestiftet, nicht von dem Menschen gewählt. Das birgt zwischenmenschliche Herausforderungen, auch in der Mühlstraße 21.

Das Neue Testament ist dementsprechend gefüllt mit der Ermahnung gegenüber Christen einander zu lieben. Der Grund hierfür liegt darin, dass die Gemeinde nicht gänzlich aus „natürlichen“ Freunden besteht. Im Gegenteil, sie besteht allzu oft aus „natürlichen“ Feinden. Was uns zusammenbringt ist nicht die gleiche Erziehung, gleiche Herkunft, gleiches Einkommen, gleiches politisches Verständnis, gleiche Hobbys. Auch gleicher Charakter, gleiche Persönlichkeit oder gleiche Interessen bei der Lebensgestaltung verbinden uns nicht. Das sind Dinge, die die meisten anderen Gemeinschaften in dieser Welt zusammenbringen. Christen teilen gemeinsam das Leben, nicht weil sie auf natürliche Art und Weise zusammenkommen, sondern übernatürlich zusammengestellt sind. Sie alle wurden durch Jesus Christus gerettet und alle sind Ihm nun der gleichen Treue verpflichtet. In diesem Licht sind Christen eine Gruppe an natürlichen Feinden, die einander lieben, um Jesu willen. Nur aus dieser Perspektive macht Jesu Aussage in Joh 13,34-35 Sinn: „Ein neues Gebot gebe ich euch, dass ihr einander liebt, damit, wie ich euch geliebt habe, auch ihr einander liebt.“ Diese christliche (menschlich betrachtet unlogische) Liebe sticht hervor und birgt Zeugnis von Christus. Gegenseitige Liebe unter unvereinbaren und grundverschiedenen Menschen ist ein unverkennbares Licht in unserer Gesellschaft.

Doch diese Gemeinschaft wirklich zu leben, ist eine enorme Herausforderung. Gar unmöglich!? Jesus hat einander Abstoßendes zusammengebracht. Aus dieser Perspektive ist es zu erwarten, dass die erlöste Gemeinschaft der Christen sich streitet und sich gegenseitig verletzt. Und zwar bei jeglichen Themen. Keines ist ausgenommen.

Die biblische Lehre zum Umgang mit Konflikten, Streitereien und Verletzungen ist ebenso grundlegend anders, als die unserer Kultur. Wenn Christus uns zu dieser Gemeinschaft zusammengefügt hat, dann ist Er auch die Lösung für Spannungen. Bonhoeffer schaut sein Gegenüber in der Gemeinde an und sagt: „Unsere Gemeinschaft besteht allein in dem, was Christus an uns beiden getan hat. (…) Christliche Gemeinschaft ist eine geistliche nicht eine menschliche Realität. In dem unterscheidet sie sich von allen anderen Gemeinschaften.“ (Gemeinsam leben, S22). Die Lehre über die Gemeinschaft der Christen ist ganz simpel diese: Christen lieben einander, wie sie selbst von Christus geliebt sind. Das heißt für den Konfliktfall, dass Christen sich einander nie aufgeben werden. Sie werden nie die Beziehung zueinander aufgeben. Niemals dürfen sie darin müde werden, voreinander Buße zu tun und einander zu vergeben. Das ist letztlich die größte Lösung für Konflikte und gleichzeitig über die Maßen ambitioniert gedacht.

Auch in Uneinigkeiten, in Verletzungen, im Konflikt muss es unser dringlichster Wunsch sein, die Einheit, die Christus gestiftet hat, praktisch zu leben. Das darf ich von meinem Gegenüber in der Gemeinde erwarten und beginnt dennoch bei mir. So verstehe zu mindestens ich Mt 5,23-26 und Mt 18,15-20. Es ist nicht wichtig, wer mit dem Streit begonnen, wer die Verletzung verursacht, wer eine ganz deutlich falsche Ansicht hat. Es ist wichtig, zu sehen, welch unglaubliche Befähigung uns Christus gegeben hat zu vergeben und Frieden zu stiften, weil uns durch Christus vergeben wurde und ewiger Frieden schon unser ist.

Diese Wahrheit zu leben ist gar nicht leicht. Vor allem in Zeiten, in denen man selbst in der Spannung eines Konflikts innerhalb einer Gemeinde steht. Was befähigt mich einer Schwester, einem Bruder, die/ der mich lieblos oder ungerecht behandelt, mit Liebe zu begegnen? Christus allein! Ich kann es nicht. Und manchmal will da etwas in mir es auch nicht. Doch Er kann es in mir. Deshalb muss ich in Auseinandersetzungen umso mehr mit Ihm reden. Folgendes Gebet lege ich Dir und uns für Zeiten des Konflikts aufs Herz. Bete es mit mir:

Gnädiger Vater, hab Erbarmen mit deinen Kindern in Auseinandersetzungen.

Wir bitten Dich um Vergebung, für jede Wurzel des Stolzes. Wir bitten Dich um Vergebung für unsere Menschenfurcht, die unsere Haltung im Streit beeinflusst. Wir bekennen, dass wir durch uns selbst niemals rein sind. Gerade dann, wenn wir einander von der Wahrheit überzeugen wollen, sind wir angewiesen auf Dich als den barmherzigen Fürsprecher.

Wir sind Sünder. Begrenzt und fehlbar. Allein aus Gnade gerechtfertigt.

In Auseinandersetzungen wollen wir gemeinsam bei Dir Zuflucht suchen. Durch Glauben und Gnade allein in deinem herrlichen Evangelium der Rechtfertigung stehen und einander begegnen. Wir erheben Dich, Jesus Christus, unseren Erretter und König, für all das, was Du bereits in uns und in unserem Gegenüber schon getan hast. Wir sind deshalb dankbare Menschen, selbst im Konflikt. Es macht uns demütig und wir sind zu tiefst berührt darüber, dass wir geliebt, vergeben und angenommen sind von einem unendlich heiligen Gott.

Bewahre uns, o Herr, dass unser Geist in diesem Disput feindselig oder voll Groll gegenüber dem anderen ist. Erlöse uns von jeglicher Herzenshaltung oder Gesprächsform, die im Konflikt uns daran hindert, unser Gegenüber zu lieben oder Wahrheit zu schmälern.

Allmächtiger Vater, wir flehen darum, dass unsere Uneinigkeit zu einer Möglichkeit wird, der Welt zu zeigen, was es bedeutet einander mit deiner Liebe zu lieben – nicht indem wir Konflikte meiden würden, aber indem wie wir miteinander darin umgehen. Helfe uns in dieser Situation die Beziehung zwischen klarer Lehre und leidenschaftlicher Hingabe zu verstehen, zwischen geisterfüllter Wahrheit und geisterfüllter Freundlichkeit, zwischen biblischer Klarheit und biblischer Einheit, zwischen göttlicher Heiligkeit und göttlicher Gnade.

Lass keinen von uns unbelehrbar sein. Bewahre uns vor Hartherzigkeit. Lass uns am Ende dieser Auseinandersetzung deine Herrlichkeit und Gnade, deine Wahrheit und Weisheit, deine Macht und Heiligkeit viel deutlicher sehen als jetzt.

Heiliger Geist, vollbringe dein Werk an uns. Bewirke das, was nur Du tun kannst: gewähre es, dass der Konflikt uns im Glauben wachsen lässt. Bewirke größere Abhängigkeit von Barmherzigkeit, tiefere Jesu Nachfolge, stärkere Liebe in unserem Leben, entschiedenerer Gehorsam gegenüber Gottes Gebot, ehrlichere Anbetung und größere Bereitschaft unser Leben niederzulegen, damit dein Reich kommen kann, wie im Himmel, so auf Erden.

In all dem, himmlischer Vater, ist es unser Verlangen, dass Du verherrlicht wirst in Jesus Christus,

Amen.